Kinder. Unsere Zukunft. Und so süüüß! Marcel war nicht süß. Und wenn diese etwa neun bis zehn Jahre alte Kröte meine Zukunft ist, bin ich dafür, dass solch Vorzeige-Intelektuelle Eltern wie die seinen in den fünf Minuten doch bitte etwas Anderes machen sollten. Spazieren gehen zum Beispiel. Oder Spülen. Hauptsache ich muss nie wieder in einer roten Blechröhre eingesperrt, auf dem Weg zum Bochumer Hauptbahnhof herausfinden, wie das Kind die Welt sieht. Und - und das ist das eigentliche Problem - es einem mitteilt. Laut. Ohne Punkt und Komma. Mit einer Stimme, die jeden Heavy Metal Sänger vor Neid erblassen lassen würde.
Ich war keine Minute auf meinem Platz in einer wie gewöhnlich sehr vollen Bahn, als ich eine schrille, laute Kinderstimme hörte. Eine von denen, die direkt von der Ohrmuschel an die Hirnrinde trommelt. Ich spürte wie jedes Wort, was aus dem kleinen Krötenmund kam, seinen Teil dazu beitrug, was später immense Kopfschmerzen sein würden. Wenn es die schiere Lautstärke nicht schaffen sollte, so würden es die Inhalte - beziehungsweise Nichtinhalte seiner Aussagen tun:"Mamaa? Warum ist der Zug rot? Ich mag keine roten Züge." ..."Mamaaa? Kannst du dem Schaffner mal sagen der soll den Zug blau machen."..."Mamaaa? MAAMAA? Sind wir noch in Dortmund? Dortmund ist doof. Ich will in Bochum sein."..."Mama ich habe heute einen Hund gesehen".
"Wirklich? Wo denn?" fragte ich, um mich in dieses für den Fortbestand des Lebens immens bedeutsame Gespräch einzuklinken. "Ich habe das Mama erzählt - nicht dir!" sagte das kleine Persönchen - aber schon vollends ausgewachsene Arschloch. Nett wollte ich sein. Solange ich rede, könne er es zumindest nicht tun, dachte ich. Mich interessiert nicht, ob und schon gar nicht WO das Schrumpfhirn einen Hund gesehen hatte. Wow ein Hund. EIN HUND! Diese Information bringt mir nichts. Sie bringt niemandem etwas. Nicht einmal der völlig überforderten Mutter.
Ich mache ihr keinen Vorwurf. Kinder haben eine unglaublich effektive Fähigkeit das Gehirn erwachsener Menschen im Schädel explodieren zu lassen und neben dem Blutbad stehend von Fremden immernoch als "süß" bezeichnet zu werden. Hier ein Tipp: Solltest du jemals von einem kleinen Menschen gefragt werden, "warum" etwas so ist, wie es ist, sag nichts. Ignoriere die Frage. Es ist das Beste, was du tun kannst. Sonst weißt du am Ende der Konversation nicht einmal mehr, wer du bist.
"Mama? Warum ist der Himmel blau?"..."Öh ja das hängt irgendwie mit der Sonneneinstrahlung und den Teilchen in der Luft zusammen...die reflektieren das Licht irgendwie und dann sieht der Himmel blau aus." ..."Warum?"..."Weil die Schicht, die unseren Planeten umgibt die anderen Farben rausfiltert."..."Warum?"..."Ich weiß nicht warum."..."Warum?"..."Keine Ahnung. ICH WEIß EINFACH NICHT MEHR!"..."Warum?!"..."Weil Mama dumm ist Schatz."..."Warum?"..."-.-...Weil Mamas Eltern die Mama im Suff in einem vernebelten Campingvan gezeugt haben!"..."Warum?"..."Weil der Strom ausgefallen ist und Onkel ...GEH SPIELEN!" ... Möchtest du wirklich an ihrer Stelle stehen?